Freitag, 8. Juni 2012

Die Kleine Frau Babette und Herr Mann: die Entstehungsgeschichte

Eine Liebesgeschichte für Kleingebliebene und Großgewordene

(von Nikola Huppertz)

Ruth und ich lernten uns durch eine technische Panne bei der Registrierung für ein Kinderliteraturforum kennen, kamen ins Gespräch ... und das Forum wurde für uns weitgehend überflüssig - wir hatten einander gefunden.
Auf einmal gab es da eine Kollegin, eine Freundin, die nicht nur verblüffend ähnliche biographische Wurzeln hatte wie ich, sondern auch ein verblüffend ähnliches Selbstverständnis als Autorin. Wir mussten uns in unserer Auffassung vom Schreiben nicht erklären, uns nicht verteidigen, keine falschen Rücksichten nehmen, denn wir merkten beide sofort: Hier ist jemand, der genau dasselbe will wie ich.
Nur, was war das eigentlich? Welche Inhalte verbargen sich hinter diesem diffusen Gefühl von geteiltem Literaturverständnis?
Wir wollten über Dinge schreiben, die etwas Universelles transportieren. Über etwas, das alle angeht. Über die grauen und die bunten Seiten des Lebens, über Traurigkeit und Glück, über Einsamkeit, Freundschaft und Liebe.
Wir wollten Geschichten erzählen, die jenseits von Alters- und Zielgruppen Gültigkeit haben. In denen jeder genau das findet, was für ihn gerade von Bedeutung ist, weil das Lesen und das Leben so eng ineinandergreifen. Zum Beispiel mit Hilfe von Figuren, die nicht Kinder sind, nicht Jugendliche und nicht Erwachsene, sondern einfach Menschen.
Wir wollten Texte verfassen, die sich nicht abnutzen. Die so viele Lesarten enthalten wie es Leser gibt. Die hinter einer schon für sehr junge Kinder greifbaren Handlungs- und Sprachebene auch etwas für ältere Leser (und Leber) bereithält: Ein besonderes Wort. Ein Gefühl. Einen Gedanken. Eine Merkwürdigkeit.
Etwas, das einen innehalten und die Augen reiben lässt. Etwas, über das man bei einem Ideen bringenden Tee noch lange nachdenkt. Etwas, über das man sich seinen eigenen Reim macht und kichernd sagt: „Zu komisch!“
Und wir haben es einfach getan. Haben all das gemeinsam aufgeschrieben. Haben staunend verfolgt, wie SaBine unsere inneren Bilder aufs Wunderbarste sichtbar gemacht hat. Haben mit einem glücklichen Prickeln begrüßt, was schließlich dabei herausgekommen ist.
Eine Liebesgeschichte für Kleingebliebene und Großgewordene.



Vier Jahreszeiten in einem Sommer
(von Ruth Löbner)

Wir kannten uns ein knappes halbes Jahr, als Nikola mir von dem Angebot erzählte, für Arena ein Jahrbuch mit Illustrationen von SaBine Büchner zu verfassen. Sie war extrem skeptisch, ob sie sich so ein Mammutprojekt zumuten sollte.
„Gerne auch mit einem zweiten Autor an Ihrer Seite“, zitierte sie mir die Worte des Verlags. Dann gab es diesen Moment der Stille zwischen uns. Natürlich lag es auf der Hand, dass wir das Buch zusammen schreiben. Aber würde unsere intensive, jedoch noch sehr junge Freundschaft ein gemeinsames Projekt verkraften? Wie schreibt man überhaupt im Team? Vielleicht würden wir uns verkrachen und damit aufs Spiel setzen, was gerade erst so vielversprechend zwischen uns begonnen hatte?
Im Grunde war es da aber schon zu spät. Während dieser 30 Sekunden Schweigen am Telefon wussten wir beide, dass wir es tun würden.
Was dann folgte, lässt sich nur als Rausch bezeichnen. Einen Sommer haben wir für die 366 Geschichten gebraucht, die wir eigentlich nebenher, auf ein ganzes Jahr verteilt, hatten schreiben wollen. Aber ein „Nebenher“ gab es bald nicht mehr. An manchen Tagen sind 4 oder 5 Geschichten entstanden – jeweils! Von der Kleinen Frau Babette, verfasst in einem klitzekleinen Arbeitszimmer hoch über dem Marktplatz von Linden, und von Herrn Mann, bei Amselgepiepse vor dem offenen Fenster im ländlichen Rheydt. Jede Geschichte wanderte brühwarm durch den virtuellen Äther und kam meist mit viel Lob und kleinen Anmerkungen wenige Minuten später wieder zurück.
So schreibt man also im Team.
Als es langsam unübersichtlich wurde, half uns ein Wiki, Jahreszeiten, Feste und Geschichtenzyklen unter Kontrolle zu halten. Und als Hermann und Babette sich endlich begegnet waren, fingen wir an, halb fertige Geschichtengerüste mit fehlenden Dialogzeilen hin und her zu schicken. Denn eines war klar: Alles, was Babette sagt, musste von Nikola geschrieben werden, auch wenn die Perspektive der Geschichte die von Hermann war. Und jedes Stottern von Hermann in Babettes Geschichten würde am Ende meiner Feder entholpert sein.
Draußen war zwar Sommer, aber in unseren Arbeitszimmern haben wir wild durcheinander Puschen gefilzt, Kastanienmännchen gebastelt und Stürmen getrotzt, wir haben Silvesterraketen gezündet, Hummeln gezählt, unsere Figuren in Karnevalskostüme gesteckt und versucht, Herrentorte zu ergattern. Irgendwann war es dann soweit: Wir hatten sie beisammen, die 366 Miniaturen, ein alles umfassendes Geschichtenjahr miteinander durchlebt - und in der echten Welt war immer noch Sommer.
Nein, wir haben uns über dem Projekt nicht verkracht, Nikola und ich. Die neue Aufgabe, vor der wir an seinem Ende standen, lautete, uns so sanft wie möglich auseinanderzuheddern und wieder tauglich für den Alltag auf einem einzigen Paar Füße zu werden, was uns einigermaßen gelungen ist. Hier und da sind aber noch Verwachsungsspuren zu erkennen, ungezählte innere und eine äußere: „Die Kleine Frau Babette und Herr Mann“. 


2 Kommentare:

  1. Da ich euer wunderbares Buch sehr liebe, habe ich natürlich auch eure beiden dazugehörigen "Entstehungstexte" gerne gelesen.

    Das muss ja ein wahrer Schreibrausch gewesen sein - ich beneide euch ein wenig um diese Erfahrung.

    Und ich wünsche eurem großartig illustrierten Buch richtig, richtig viel Erfolg!!!!

    Ich schmöckere jedenfalls immer wieder darin und freue mich schon auf die Zeit, in der meine Enkel groß genug dafür sind.

    Liebe Grüße
    von
    Barbara Peters

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  2. Liebe Barbara,

    danke für deine lieben Worte und das Lob. Ja, es war tatsächlich ein Schreibrausch, und nicht nur einmal mussten wir uns gegenseitig ungläubig fragen: Wie bist du jetzt wieder DARAUF gekommen? Worauf wir selten eine Antwort fanden ...

    Ganz herzlich,
    Nikola

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